Die Sarau da Onça ist eine Gemeinschaft in Salvador, welche durch Poesie die Sichtweise auf ihre Stadt verändern will. Sie schaffen eine Plattform, um über Menschenrechte zu diskutieren, arbeiten mit Insassinnen im Frauengefängnis zusammen und veröffentlichen Bücher über die Kunst der Poesie. Bündig gibt euch einen Überblick über ein Interview, das Mitbegründer Evanilson Alves mit Positive News führte.
Dichter, Schriftsteller, Werkstattarbeiter, Dozent, Sozialpädagoge und Produzent der Sarau da Onça – so beschreibt sich Evanilson Alves auf seinem Social Media Account. Der gebürtige Brasilianer ist 31 Jahre alt und kommt aus Salvador, die drittgrösste Stadt in Brasilien. Die Kriminalitätsrate seiner Heimatstadt ist hoch. Im Jahr 2020 belegte Salvador Platz 16 auf der Rangliste der gefährlichsten Städte der Welt. Grund für diese Gewaltexzesse sind Rivalitäten zwischen Drogenbanden, unbezahlte Rechnungen für Drogenkonsum und Streitereien zwischen Drogenabhängigen. Manchmal werden auch Unbeteiligte Opfer von Schiessereien.
Die Sarau da Onça
Im Mai 2010 gründeten Alves und drei Freunde die Gemeinschaft «Sarau da Onça». Sie setzen sich für Freiheit, Veränderung und Liebe ein. Sie wollen gegen die Vorurteile, welche gegenüber ihrer Stadt herrschen, ankämpfen und auf die verschiedenen sozialen Bewegungen hinweisen.
«Die Poesie hat mein Leben verändert. Ich habe die Feder gewählt, um es zu erhalten. Als ich aufwuchs, hatte ich kein Ventil. Erst als ich zur Schule ging, begann ich, meine Gefühle in Gedichten auszudrücken. Die Leute denken, mein Viertel sei ein Ort der Morde und des Menschenhandels. Die Poesie kann ein anderes Bild zeigen und ist ein Weg, dieser Meinung entgegenzuwirken.»
Evanilson Alves
Menschen können bei der Sarau da Onça sich selbst sein und ihre eigenen Geschichten erzählen. Ob gesprochen, gesungen oder geschrieben, jede Ausdrucksform ist erlaubt. Open-Mics gelten als wichtiges Instrument für den gesellschaftlichen Wandel in den ärmeren Stadtvierteln von Salvador. Ein Open-Mic ist eine Veranstaltung, bei der Menschen ein selbstverfasstes Werk vorlesen oder vorsingen können. In der Sarau da Onça wird über Themen wie Rassismus, Wertschätzung von Frauen, Homophobie, Polizeigewalt, Vorurteile und schwarzen Feminismus gesprochen. Ihre Botschaft verbreitet sich auch auf nationaler Ebene. Die Sarau da Onça pflegt gute Beziehungen zu Schulen und zeigt den Menschen die Macht der Poesie auf.
Poesie im Frauengefängnis
Alves begann auch im Frauengefängnis zu arbeiten. Er beschreibt seine erste Begegnung mit den Insassinnen als «merkwürdig, seltsam und unangenehm». Aber er wollte ihr Gefängnisleben unbedingt erträglicher machen und nach sieben Tagen konnte er sie überzeugen, an einem Gedichtworkshop teilzunehmen.
Freudig erzählt Alves Positive News: «Obwohl es sich um einen feindseligen Ort handelte, war der erfreulichste Teil dieser Erfahrung zu sehen, wie er sich in einen Raum der Reflexion verwandelte. Schreiben hat so eine transformative Kraft. Poesie ist ein mächtiges Werkzeug für Veränderungen. Obwohl in der Haftanstalt keine Stifte erlaubt waren, fanden sie dennoch andere Quellen für Tinte. Heutzutage findet man in jeder Ecke des Gefängnisses ein Mädchen, das liest oder schreibt. Andere haben sich als Aufseherinnen in den Klassenzimmern des Gefängnisses betätigt, um auf ihre Freiheit hinzuarbeiten.»
Bildung und Menschenrechte
Nach Alves muss die Bildung in Brasilien wichtiger werden. Der Staat baut mehr neue Gefängnisse als neue Schulen. Wenn Menschen Bildung verweigert wird, verletzt das ihre Menschenrechte. Amnesty International trägt mit ihrer Quilimbox ebenfalls dazu bei, Menschenrechte durch Tanz, Hip-Hop und gesprochene Worte zu thematisieren.
Veröffentlichung Bücher
Der Einfluss von Sarau da Onça wird immer grösser. Sie haben bereits mehrere Bücher veröffentlicht. Eines davon heisst «Poetry Creates Wings» und konnte von der Gemeinschaft auf einer der grössten Buchausstellungen der Welt präsentiert werden.
«Wir versuchen, unsere Bücher so oft wie möglich persönlich zu verkaufen. Wir verteilen sie auch an Schulen. Schreiben hat eine transformative Kraft. Poesie ist eine Sucht, ein mächtiges Werkzeug für Veränderungen. Es ist an der Zeit, junge Menschen mit politischem Denken auszustatten und zu zeigen, dass der Wandel von uns selbst abhängt. Gemeinsam können wir unsere eigene Zukunft schreiben.»
Evanilson Alves