Gespräch unter Freunden

Heute ist der internationale Tag der Freundschaft. Ein guter Grund, darüber zu schreiben, weshalb wir Freunde brauchen. Gespräch mit einem Freund.  

Es ist kurz nach Mittag an einem dieser regnerischen Sommertage. Seit Tagen ist kein Anzeichen eines Sonnenstrahls auszumachen, der die dunkle Wolkendecke zu durchbrechen vermag. Vergangene Nacht lag ich lange wach. All diese Gedanken. An die Zukunft, die Vergangenheit. Sie rauben mir den Schlaf.

«Wie geht es dir?», fragt mich mein Freund. «Gut, danke, und dir?», antworte ich aus Gewohnheit. «Ist grad echt viel los auf der Arbeit.» Gerade als ich merke, dass ich gedanklich bereits wieder abschweife, höre ich die Stimme meines Freundes ein zweites Mal. 

«Wie geht es dir?» Ich schaue ihn an. Sein Blick ist sanftmütig. Jetzt erst merke ich, dass er diese Frage ernst meint. «Naja, weisst du, geht so», hole ich aus. «Lass es mich so ausdrücken: Ich kann ein gutes Gespräch mit einem guten Freund echt gut gebrauchen.»

Mein Freund lacht. «Sehr gut. Über was willst du reden?» Einen Moment lang will ich ihm von meinen Gedanken erzählen. Möchte all meinen gedanklichen Ballast bei ihm deponieren. Ich weiss, das wäre okay für ihn. Noch nie hat er, mein Freund, sich darüber beschwert. Mir immer geduldig zugehört, mich verstanden. Mich immer ermutigt, nie verurteilt.

Ich halte einige Sekunden inne – und erwidere stattdessen: «Über Freundschaft!»  

«Ein schönes Thema», entgegnet mein Freund. «Was ist Freundschaft für dich?», frage ich ihn. «Hmm, das ist eine gute Frage. Wollen wir versuchen, ihr gemeinsam auf den Grund zu gehen?»

«Ja, gerne», erwidere ich. «Aristoteles beschrieb Freundschaft einst als ‘eine Seele in zwei Körpern’, korrekt?» «Der griechische Philosoph?», fragt mein Freund. «Hmm, das kann ich mir gut vorstellen. Was er damit wohl gemeint hat?»

«So genau habe ich das nie gelesen. Schwierig, sich überhaupt vorzustellen, wie eine Seele gleichzeitig in zwei Körpern sein kann…» 

«Schwierig, sich eine Seele überhaupt vorzustellen.»

«Haha. Okay, fair enough. Aber trotzdem haben wir alle irgendwie eine Vorstellung davon, nicht?

«Wir schweifen bereits ab, mein Freund.»

«Stimmt, entschuldige. Was ist denn nun Freundschaft? Warte, ich schau mal, was Google sagt: ’Freundschaft bezeichnet ein auf gegenseitiger Zuneigung beruhendes Verhältnis von Menschen zueinander, das sich durch Sympathie und Vertrauen auszeichnet.’»

Mein Freund grinst: «Findest du diese Beschreibung zutreffend?»

«Naja, irgendwie schon, oder? Hier, noch etwas. Da steht: ‘Freunde begleiten uns durchs Leben und halten uns am Leben…’ Was meinst du dazu?»

«Interessant. Wer also keine Freunde hat, stirbt?»

«Zumindest früher. Das besagt jedenfalls die Studie, auf die sich dieser Bericht hier bezieht. Die Sterblichkeit sei ohne Freunde etwa gleich hoch, wie wenn man 15 Zigaretten pro Tag rauche. Und sogar noch höher als bei Alkoholkonsum. Krass.»

«Freundschaften sind also wichtig für ein langes Leben?» 

«Zumindest machen sie das Leben erst lebenswert, oder?» 

«Da stimme ich dir zu.» 

«Aber wie entsteht denn eine richtige Freundschaft? Also, so eine wie zwischen dir und mir? Ich meine, wir beide sind Freunde, das haben wir uns ja mehr als einmal gesagt, richtig?»

«Richtig. Vielleicht weil wir es uns gegenseitig immer wieder gesagt haben?»  

«Hmm, wohl wahr. Ja doch, da, weiter unten steht es: ‘Nur wenn sich beide als Freunde bezeichnen, ist es auch eine Freundschaft’, sagt diese Expertin.»

«Ja wenn diese Expertin das sagt, wird es wohl stimmen», schmunzelt mein Freund. 

«Ja, schon. Es steht auch noch, dass es individuell sei, wie viele Freunde ein Mensch braucht. Nur schon einen Freund oder eine Freundin zu haben senke zum Beispiel das Risiko, an Depressionen zu erkranken.»

«Hah, dann haben wir beide ja Glück gehabt! «Wie geht es dir inzwischen?»  

«Jetzt, wo du fragst – schon viel besser!» 

«Scheint etwas Heilendes zu haben, so eine Freundschaft.»

«In der Tat. Es ist immer bereichernd und ermutigend, mich mit dir auszutauschen. Wenn ich es mir so überlege, nach all den Jahren. Ich weiss nicht, ob ich ohne dich dieselbe Person geworden wäre, die ich heute bin.»

«Wer weiss das schon? Aber ich stimme dir zu. Dieses Gefühl habe ich auch.» 

«Echt? Dann sind wir wirklich wahre Freunde. Nur, manchmal, da frage ich mich schon, ob ich dir auch so ein guter Freund bin, wie du mir.»

«Mach dir keine Sorgen, mein Freund. Das bist du, ob du es glaubst oder nicht.»   

In diesem Moment holt mich mein Wecker aus meinen Träumen. Es ist Morgen an einem dieser regnerischen Sommertage. Seit Tagen ist kein Anzeichen eines Sonnenstrahls auszumachen, der die dunkle Wolkendecke zu durchbrechen vermag. Bevor ich einschlief, lag ich lange wach. All diese Gedanken. An die Zukunft, die Vergangenheit. Sie raubten mir mal wieder den Schlaf.

Doch all das ist halb so schlimm. Denn ich treffe heute einen guten Freund. Und ich weiss bereits, worüber ich mit ihm reden möchte.

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