Eine Zeitreise auf den Mars und verbesserte Heilungschancen nach einem Schlaganfall: Dies könnte durch eine Art Winterschlaf möglich gemacht werden.
An einem sonnigen Oktobertag im Jahr 2006 stieg der Japaner Mitsutaka Uchikoshi mit Freunden in eine Gondel auf den Berg Rokko. Nach dem Picknick beschloss er den Abstieg des Berges alleine zu Fuss zu bewältigen. Er stürzte, brach sich das Becken und schlief ein. 24 Tage lang hielt sein Tiefschlaf an, bis ein Kletterer ihn unterkühlt und mit kaum vorhandenem Puls vorfand. Nach ein paar Tagen Ruhe war er jedoch völlig wiederhergestellt. Zurück blieb das Rätsel, wie Uchikoshi über drei Wochen lang ohne Wasser und Nahrung überleben konnte. Forscher gehen seitdem der Frage nach, ob Menschen nicht doch in eine Art Winterschlaf versetzt werden können.
Der Begriff Winterschlaf kann irreführend sein. Deshalb bezeichnen Forscher das Phänomen als Torpor: Erstarrung. Dies kann nicht nur im Winter geschehen. Obwohl in diesem Ruhezustand der Stoffwechsel und die Atmung reduziert wird, leiden die Organe, auch das Gehirn, nicht unter dem Sauerstoffmangel. Dennoch bleibt der Torpor nicht ohne Folgeschäden.
Nutzen dieser Erstarrung
Im medizinischen Bereich wäre der Nutzen dieser Starre jedoch revolutionär. Nieren und Lebern können nicht länger als einen Tag, Herzen und Lungen nur wenige Stunden frischgehalten werden.
Durch den Winterschlaf-Modus für Organe könnte der Aufbau von Organ-Banken ermöglicht werden. Ausserdem könnten nach einem Herzinfarkt schwerkranke und transportunfähige Patienten in diesem Zustand in eine Spezialklinik gebracht und der Gewebeschaden minimiert werden. Da während der Erstarrung die Chromosomenenden nicht kürzer werden, schreitet die Alterung deutlich langsamer voran. Die NASA und ESA hoffen deswegen, eines Tages Astronauten auf dem langen Weg zum Mars in diesen künstlichen Tiefschlaf versetzen zu können, um ihnen Nahrung, Sauerstoff und Langeweile zu ersparen.
Nachteile des Ruhezustandes
Ein Nachteil des Torpors ist jedoch die benötigte Menge an Energieverbrauch, um wieder aufzuwachen. Zudem kann das zentrale Nervensystem nach längerer Zeit in der Starre Schaden nehmen. Im Hinblick auf das Erinnerungsvermögen der Astronauten könnte dies ein Problem werden. Möglicherweise haben sie nach dem Aufwachen vergessen, wie sie ihre Arbeit vor Ort zu verrichten haben. Überdies kommunizieren die Gehirnzellen stark übermüdeter Personen langsamer miteinander. Die Beeinträchtigungen zeigen sich ähnlich wie bei stark alkoholisierten Menschen.
Bis die Wissenschaft die entscheidenden Erfolge erzielen wird, wird es wohl noch einige Zeit dauern. Bis dahin müssen wir uns wohl damit abfinden, den Winter wach zu durchleben in Vorfreude auf die ersten warmen Frühlingstage.