Religion unabhängig vom Geschlecht: Sherin Khankan macht es vor

Sherin Khankan

Sherin Khankan ist Dänemarks erste Imamin. Ihr Vorhaben erschüttert die patriarchalischen Strukturen des Islams. Nach dem Motto «Der perfekte Mann ist eine Frau» gründete sie 2016 die Mariam Moschee in Dänemark. Die erste weibliche Imamin und CEO von der dänischen NGO Exitcircle ist heftigem Gegenwind ausgesetzt.

Mit ihren kühlen, blauen Augen und den langen, blonden Haaren unterscheidet sich die 40-jährige Sherin Khankan vom Aussehen her nicht im Geringsten von ihren dänischen Landesgenossinnen. Die alleinerziehende Mutter von vier Kindern ist Gründerin und CEO der Nichtregierungsorganisation Exitcircle, Autorin und erste weibliche Imamin in Dänemark. Sherin und ihre Schwester Nathalie wuchsen in einer Familie auf, die verschiedene Sprachen und Religionen harmonisch unter einem Dach vereint. Ihre Mutter ist Christin und aus Finnland eingewandert, ihr Vater ist Muslim und von Syrien nach Europa geflüchtet.

Als Kind fiel es ihr nicht leicht, ihr Anderssein zu akzeptieren. Mit dem Älterwerden beginnt sie jedoch ihre Andersartigkeit und die gelernte Flexibilität als Segen zu sehen.

Die Islamophobie in der ganzen Welt wächst. Für Khankan unverständlich, denn sie kennt die harmonische Seite der glücklichen und liebevollen Ehe ihrer Eltern trotz religiöser und kultureller Unterschiede. In Khankan wird der tiefe Wunsch geweckt, diese Harmonie in die Welt zu tragen. Sie macht sich ein friedliches Miteinander trotz religiöser und kultureller Differenzen zur Lebensaufgabe.

Exitcircle – eine NGO für die Rechte der Frauen

2014 gründet Khankan die NGO Exitcircle für Mädchen und Frauen, die Opfer von häuslicher Gewalt sind. Exitcircle will aufzuzeigen, dass psychische und physische Gewalt ein universelles Problem ist, welches in allen Kulturen und Religionen anzutreffen ist. Gegenüber Girlsareawesome erklärt Khakan, dass sie selbst Opfer psychischer Gewalt wurde. Die Arbeit von Exitcircle soll dieses universelle Problem gesamtheitlich lösen.

Betende Muslima

Eine Imamin in der Mariam Moschee

Khankans Vision für eine Moschee mit weiblichen Imamen und nimmt 1999 in Damaskus Gestalt an. Zu der Zeit schreibt sie ihre Dissertation über Sufismus und islamischen Aktivismus. Zurück in Kopenhagen gründet sie 2001 den Verein kritische Muslime, welcher sich für die Akzeptanz weiblicher Imame und islamischen Säkularismus einsetzt.

Die Mariam Moschee wird 2016 gegründet. Die Moschee trägt den Namen Maria, nach der Mutter Christi. Die Moschee befindet sich im gleichen Gebäude wie Exitcircle. Die beiden Institutionen handeln unabhängig voneinander, allerdings ist das Ziel das gleiche: Patriarchalische und unterdrückerische Strukturen sollen überwunden werden. Es wird islamisch-geistliche Betreuung angeboten und interreligiöse Eheschliessungen werden gefördert. Frauen haben ein Recht auf Scheidung und Polygamie ist verboten. Die Freitagsgebete werden ausschliesslich für und von Frauen abgehalten. So können Frauen ausserhalb der männlich dominierten patriarchalischen Strukturen ihren Glauben erforschen und vertiefen.

Feminismus im Islam ist keine Neuheit

«Weibliche Imame sind kein neues Phänomen. Es ist keine Reformation, wir gehen zurück zu den Wurzeln und zur klassischen Tradition und zu den Quellen»

sagt Khankan zu Postscript.

Schon der andalusische Islamwissenschafter Ibn Rushd, Fiqh-Gelehrter und Philosoph (1126-1198), anerkannte Frauen, die Gebete für andere Frauen leiten. Ebenfalls erlaubte der Prophet Muhammad den Frauen Umm Salam und Aisha, das Gebet für andere Frauen in seiner Hausmoschee in Medina zu leiten. Damals hatten Frauen verschiedene Rollen: Einige lehrten, andere kämpften und wieder andere waren weibliche Imame. Am liebsten zitiert Khankan jedoch Ibn Arabi, andalusischer Philosoph, Mystiker, bekanntester Sufi-Vertreter (1165-1240): «Der perfekte Mann ist eine Frau». Der islamische Feminismus versucht über das Geschlecht hinwegzusehen und strebt die Gleichberechtigung an.

Muslima

Wer sind Khankan’s Kritiker und Gegner?

Khankan bekommt den starken Gegenwind einerseits von islamischen Gemeinden zu spüren und andererseits wird sie aufgrund ihrer Rolle bei Exitcircle von nicht-muslimischen Dänen in den gleichen Topf wie radikale Islamisten geworfen. Am tiefsten traf sie jedoch die Kritik aus ihrer eigenen Familie. Ihr Vater, selber ein Feminist, beginnt sich aufgrund des steigenden Druckes seiner Familie in Syrien um sie zu sorgen. Als Khankan ihren Titel als Imam nicht ablegt, spricht er einen Monat nicht mit ihr. Mittlerweile unterstützt er seine Tochter. Ihr damaliger dänischer Ehemann mit pakistanischen Wurzeln stellte ihr ein Ultimatum: Entweder Familie oder die Fortsetzung des Projektes.

Grundsätzlich war er nicht gegen die Gründung der Moschee. Vielmehr fürchtete er um die Folgen für seine Kinder wegen ihrer Mutter, die als Gesicht einer solchen Kontroverse auftrat.
Heute ist Khankan geschieden. Gegenüber Postscript erklärt sie, dass die letzten drei Jahre hart waren. Dennoch hoffe sie, dass ihre Kinder verstehen werden, dass vieles auf dem Spiel steht. Khankan erinnert sich an eine ermutigende Aussage ihrer jüngsten Tochter. Diese beschrieb einer Schulfreundin, was ein Iman sei:

«Weisst du nicht, ein Imam ist eine Frau, die Grosses tut».

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