Abrüstung auf der Erde – Aufrüstung im Weltall

Die US-amerikanische Armee ist besorgt. Angeblich soll Russland einen Anti-Satelliten-Waffen-Test durchgeführt haben. Russland bestreitet die Vorwürfe und wirft Grossbritannien und den USA vor, die Wahrheit zu verdrehen. Fest steht, dass das Interesse von verschiedenen Ländern an einer Positionierung im Weltall steigt. Mehrere Grossmächte investieren immer mehr in den Ausbau weltraumbasierter Technologiesysteme.

Der Weltraum soll ein gemeinsames Erbe der Menschheit sein. Wo Ansprüche geltend gemacht werden, müssen Verträge unterschrieben werden: Um eine friedliche Koexistenz der Länder im Weltraum sicherzustellen, wurde am 27. Januar 1967 der Weltraumvertrag von den Vereinten Nationen abgeschlossen. Er verbietet das Unterbringen von Kernwaffen im All sowie militärische Basen oder Übungen auf dem Mond. Ausserdem haften Staaten für Schäden, welche durch Objekte entstehen, die sie in den Weltraum verfrachtet haben. Das aktuelle Wettrüsten lässt jedoch eine düsterere Zukunft erahnen.

Militärstrategen sehen Satelliten und den Weltraum als entscheidenden Bestandteil der modernen Kriegsführung und als Schlachtfeld der Zukunft. Immer mehr Staaten entwickeln Waffensysteme, die feindliche Satelliten ausschalten und ihre eigenen Satelliten schützen. Die strategische Wichtigkeit des Alls zeigt sich in der Entscheidung des NATO-Rats am 20. November 2019: Nebst Luft, Land, Meer und Cyberspace anerkennt er den Weltraum als neues Operationsgebiet der NATO.

Bereits seit mehr als zehn Jahren wiederholen sich Vorfälle, die zeigen, dass auch Grossmächte ausserhalb der NATO die strategische Bedeutung des Weltalls erkannt haben. Im Jahr 2007 feuert China eine Rakete und schiesst einen eigenen ausgedienten Wettersatelliten ab. Seitdem kreisen 3000 neue Trümmerteile im Orbit. Im September 2015 nähert sich der russische Satellit Lutsch (Olimp-K) dem amerikanischen Kommunikationssatelliten Intelsat 905 auf zehn Kilometer und drei Jahre später manövriert er sich extrem nahe an den von Frankreich und Italien betriebenen militärischen Kommunikationssatelliten Athena-Fidus heran. Es wird vermutet, dass der Satellit mit Abhörsystemen ausgerüstet ist.

In der Folge weist der amerikanische Präsident Donald Trump im Juni 2018 das Pentagon an, die «Space Force» als unabhängige Dienststelle zu schaffen. Er bezeichnet den Weltraum als eine Frage der nationalen Sicherheit und will sicherstellen, dass Amerika seine Vormachtstellung gegenüber China und Russland halten kann. Der unbemannte Shuttle X-37 landet am 27. November 2019, nach 25 Monaten im All, wieder im Kennedy Space Center. Beim X-37 handelt es sich laut dem Institut für Abrüstungsforschung der UN (Unidir) vermutlich um ein Spionage-Testbed. Dieses dient dazu, die Kommunikation anderer Nationen abzuhören. Somit könnte der X-37 ähnlichen Zielen dienen wie der russische Satellit Lutsch.  

Indien arbeitet ebenfalls an solchen Technologien, macht jedoch im Gegensatz zu anderen Ländern keinen Hehl daraus: Am 27. März 2019 verkündet Premierminister Narendra Modi den erfolgreichen Test einer Anti-Satelliten-Rakete. «Indien kann nun die Überwachungs-, Kommunikations- und Navigationsfähigkeiten eines Landes stören und die feindlichen Streitkräfte auf dem Schlachtfeld ‘taub und blind’ machen», heisst es in einem Artikel der Times of India

Die Machtkämpfe im All und die Demonstration militärischer Stärke als Drohung nehmen zu. Es kommen konstant mehr Satelliten hinzu welche zivilen und militärischen Zwecken dienen. Gemäss einer Meldung der Weltraumabteilung der US-Armee am 15. Juli dieses Jahres soll Russland angeblich eine Anti-Satelliten-Waffe im All getestet haben. Die US-Armee habe Beweise und sehe dies als «reale, ernsthafte und zunehmende Bedrohung für die Weltraumsysteme der USA und ihrer Verbündeten». Das US-Aussenministerium betont, dass russische Satellitenmanöver wiederholt nicht die vorab deklarierte Mission verfolgt haben. Zusätzlich sollen die Geschosse eindeutige Eigenschaften einer weltraumgestützten Waffe aufweisen. 

Doch nicht nur Satelliten sorgen aktuell für hitzige Gemüter, auch der Mond gewinnt zunehmend an Aufmerksamkeit. Anfangs Mai dieses Jahres wurde gemäss Reuters bekannt, dass die Trump-Administration zurzeit an einem rechtlichen Entwurf für den Bergbau auf dem Mond arbeitet. Dieser entsteht im Rahmen des von den USA geförderten internationalen Artemis-Abkommens.

In den kommenden Wochen werden US-Beamte das Abkommen mit Raumfahrtpartnern wie Kanada, Japan, europäischen Ländern sowie den Vereinigten Arabischen Emiraten aushandeln. Normalerweise wäre Russland als Hauptpartner der NASA ebenfalls dabei. Da die USA allerdings die russischen Satellitenmanöver als «bedrohlich» einstuft, wird Moskau vorerst nicht zu den Verhandlungen eingeladen.

Verschiedene Nationen treffen Vorsichtsmassnahmen gegenüber Russland oder streben Sanktionsverfahren an. Zu diesen Nationen zählt auch Grossbritannien. Seit dem russischen Satellitentest ist das Verhältnis zwischen den beiden Grossmächten angespannt. Grossbritannien beschuldigte russische Akteure, sich in die Wahlen von 2019 eingemischt zu haben. Zusätzlich steht der Vorwurf im Raum, dass Moskau versucht habe, sich in Systeme einzuhacken, um an die Impfstoffforschung zu gelangen. Premierminister Boris Johnson will nun die Hochverratsgesetze Grossbritanniens überarbeiten, um Bedrohungen durch Russland und China entgegenzuwirken. 

In Japan berichteten Regierungsquellen, dass chinesische und russische «Killersatelliten» sich japanischen Satelliten angenähert haben. An diese Informationen ist Japan womöglich durch die USA gekommen, da Tokio derzeit die Aktivitäten von Peking und Moskau im Weltraum nicht überwachen kann. Schon anfangs Jahr flog der russische Satellit Cosmos 2542 wiederholt einen US-Aufklärungssatelliten an. Aufgrund dieser Bedenken richtete Japan im Mai das Space Operations Squadron ein. Zunächst wird dieses in Kooperation mit der US Space Force mit Hilfe eines hochentwickelten Radarsystems zur Überwachung von «Killersatelliten» dienen.

Was sagt Russland zu den Vorwürfen?

Das russische Aussenministerium weist die Anschuldigungen zurück und erklärt, dass die Satellitentests keine Bedrohung für andere Raumfahrzeuge darstellen und keine Prinzipien des Völkerrechts verletzt werden. «Wir betrachten dies als einen weiteren antirussischen Schritt im Rahmen einer von Washington initiierten zielgerichteten Informationskampagne. Damit sollen russische Weltraumaktivitäten und unsere friedlichen Initiativen zur Verhinderung eines Wettrüstens im Weltraum diskreditiert werden.»

Inwiefern die Sorgen der Nationen bezüglich russischer Satellitentests begründet sind oder nicht, bleibt weiterhin offen. Fest steht, dass das All von verschiedensten Staaten als neuer Raum zur Erweiterung ihrer Machtgebiete entdeckt wurde.

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